Ort der Triumphe und Tränen

Alte Ringerhalle wird abgerissen

Die Tage der Ringerhalle sind gezählt

Auf dem Boden sind tausende Schweißperlen und (Freuden-) Tränen vertrocknet. Es wurde gerungen, getanzt und gefeiert. Es riecht förmlich nach Tradition. Bilder von spektakulären Kämpfen, ausgelassenen Faschingsbällen und geschichtsträchtigen Veranstaltungen schießen einem in den Kopf, wenn man sie betritt: Die Ringerhalle in Hallbergmoos, deren letzte Stunde nun geschlagen hat. Sie wird abgerissen, weicht der neuen Ortsanbindung. Sie führt von der Bundesstraße B 301 über die Predazzoallee zur Theresienstraße.

In diesen Tagen erinnert nur noch wenig an die ruhmreiche Geschichte des Gemäuers: Auf dem Hallenboden stehen Pfützen. Das Dach ist löchrig. Der Putz bröckelt. Grüne Tanzschuhe stehen auf dem Boden, oben in einer der Umkleiden. In den Gängen und Räumen: Haufenweise Kleidung und zurückgelassene Habseligkeiten.

Der Glanz ist verblasst und doch ist er in vielen Köpfen noch heute präsent. Denn der sportliche Aufstieg des SV Siegfried zu einem der führenden deutschen Ringerclubs wäre ohne die Halle wohl nicht möglich gewesen.

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1922 war der Verein gegründet worden, das „Klösterl“ die erste Heimat der Kraftsportler. Bis 1964 rang man im Café Stegherr (heute: Theresienhof). Als 1964 die Bundesliga gegründet wurde, reagierte die Vereinsführung auf die Forderungen des Verbands: Eine vorgeschriebene 8 auf 8 Meter große Matte war im Stegherr-Saal nicht unterzubringen.

Kraftakt: Bau in Rekordzeit 1965

Unter der Regie des damaligen Vorsitzenden Ludwig Gruber wurde in Rekordzeit eine vereinseigene Halle aus dem Boden gestampft: Der Verein brachte gerade einmal 2000 Mark Eigenmittel mit. Das Grundstück erhielt man von Karl und Anni Stegherr auf Erbpacht. Die Mitglieder leisteten Gewaltiges: 6000 freiwillige Arbeitsstunden investierten die starken Männer und Frauen, auf ein Spendenkonto flossen 45000 Mark. Zwischen dem Beschluss im Januar 1965 und dem Eröffnungskampf gegen eine Stadtauswahl aus Bordeaux am 15. August 1965 lagen gerade einmal sieben Monate.

Erweiterung 1980: Dramatische Ereignisse

Zwölf Jahre später wurde die Halle erweitert, Umkleiden und ein Sanitärbereich angebaut. Als 1980 der Hallenboden erneuert wurde, floss wieder viel Schweiß der Freiwilligen in der Gebäude – und auch Blut: Hubert Rampf hätte seinen Einsatz beinahe mit dem Leben bezahlt, als der Boden nachgab und er mit seinem Bagger darin versank. Sein Arbeitskittel verhakte sich – zum Glück – an einem Zacken der Schaufel und verhinderte, dass Rampf unter dem schweren Gerät begraben wurde. „Mein Vater hat seitdem immer am 4. Mai seinen zweiten Geburtstag gefeiert“, erinnert sich Tochter Silvia Edfelder. 

Edfelder ist es auch, die nun zu den letzten Besuchern der Ringerhalle gehört. Sie hat ein Team zusammengetrommelt, um eingelagerte Tafeln, Schulbänke und Stühle wegzubringen. Wenn die Abrissbirne anrückt, will sie wieder da sein und sicherlich ein paar Tränen verdrücken.

Letzte Runde im Jahr 1990

Das sportliche Ende der Halle wurde 1990 besiegelt: Die Ringer zogen in die Dreifach-Turnhalle am Hallberg-Platz um. 1997 feierte der Traditionsclub sein 75-Jähriges Bestehen noch in dem geschichtsträchtigen Gemäuer. Der letzte der legendären Ringerbälle fand 2009 statt.

Gerhard Polt und die Biermösl-Blosn

Die Ringerhalle schrieb auch Flughafen-Geschichte: Über 1000 Besucher kamen im Dezember 2000 in die Halle. „AufgeMUCkt“ , Gerhard Polt und die Biermösl Blosn artikulierten dort in einem dreistündigen Programm ihren Protest gegen die Änderung der damals geltenden Nachtflugregelung am Flughafen München.

Ringerhalle weicht neuer Ortserschließung

Im Dezember 2009 erwarb die Gemeinde schließlich das 1200 Quadratmeter große SV-Siegfried-Grundstück für 360.000 Euro. Nicht etwa, wie damals kolportiert wurde, um den seinerzeit hoch verschuldeten Club zu subventionieren. Die Gemeinde erhielt dafür eines von drei Grundstücken, die man für den Bau der Ortserschließung „Hallbergmoos-Mitte“ unbedingt brauchte. Es sollte noch zehn  Jahre dauern bis die Kommune 2019 den Grunderwerb letztlich unter Dach und Fach brachte. Damit war der Weg für die neue Trasse geebnet – und das Ende der Ringerhalle endgültig besiegelt.

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