„Die fetten Jahre haben wir hinter uns. Wir stehen vor großen Herausforderungen.“ Mit diesen Worten schloss Bürgermeister Josef Niedermair (CSU) seinen anderthalbstündigen Bericht über die wichtigsten Daten, Projekte und Entwicklungen der Gemeinde Hallbergmoos. Man wird sich neu ausrichten, wie er unterstrich, und Umwelt und Klima, Wirtschaft und Corona in den Fokus rücken.
Zwar steht die Kommune mit 70 Millionen Euro Reserven noch recht gut da. Aber die Gewerbesteuer wird in Zukunft nicht mehr so üppig sprudeln wie in der Vergangenheit. Nicht zuletzt, weil der Wegzug von SAP zu erwarten ist.
Munich Airport Business Park: “Unsere Lebensversicherung”
„Der Munich Airport Business Park ist wirtschaftlich unsere Lebensversicherung“, zeigte der Bürgermeister auf. Rund 260 der rund 1424 gemeldeten Betriebe sind dort in den zehn Bürokomplexen angesiedelt. Mit der Surftown MUC schafft man ein Alleinstellungsmerkmal.
Hallbergmoos als Biotech-Standort attraktiv machen
Nun will sich die Kommune als attraktiver Standort für Biotechnologie-Unternehmen einen Namen machen. „Wir müssen die richtigen Firmen herlocken. Deshalb ist die Wirtschaftsförderung nun auch Stabsstelle.“
Einwohnerzahlen stagnieren
Ein Stück weit Corona geschuldet ist wohl auch die Einwohnerentwicklung, die aktuell stagniert: Ende 2020 zählte man 11.219 Bürger (-13) aus 90 Nationen. Das Durchschnittsalter stieg von 37,54 auf 38,9 Jahre. Der Ausländeranteil liegt bei 21 Prozent. „Ich bin stolz drauf. Jeder kann von jedem etwas lernen“, unterstrich Niedermair. 122 Geburten stehen 74 Sterbefälle gegenüber. Immer noch hoch ist die Zahl der Kirchenaustritt (100; Vorjahr: 154).
In Hallbergmoos arbeiten in etwa genauso viele Menschen (12.000) wie dort leben. 1000 Kinderbetreuungsplätzen gibt es, davon sind 61 in Krippen, 37 in Kindergärten und 70 in Horten nicht belegt. Schüler gibt es 1084, davon besuchen 464 die örtliche Grundschule, 202 die Mittelschule.
Aus- und Neubau von Schulen
Zu den wichtigsten Investitionen zählt der Grundschulanbau (5,3 Mio. €). Das Grundstück für das neue Schulhaus in Goldach hat die Gemeinde bereits erworben (14 Mio. €). Fünf bis sechs Jahres, so der Bürgermeister, wird es aber schon noch dauern, bis man loslegen kann.
Kommunalen Wohnungsbau forcieren
Für den kommunalen Wohnungsbau in der Predazzoallee plant man mit gut 9 Mio. €. Weil der zuständige Architekt abgesprungen ist, muss erst einmal einer neuer gefunden werden. Niedermair rechnet mit einem Baubeginn Ende 2022. Noch weiter entfernt, aber auf der Agenda ist das Mehrgenerationen-Wohnen im Tassiloweg (ca. 25,5 Mio. €). Für beide Projekt kann man mit erheblichen staatlichen Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen rechnen.
Mit erheblichen Kostensteigerungen rechnet bei der Erweiterung der Kläranlage, momentan sind 4,1 Mio. € kalkuliert. Wegen fehlender Kapazitäten im Landratsamt beginnt die FS-12-Sanierung voraussichtlich erst im Frühjahr 2022 mit der Brückenerneuerung.
Bürger haben das Wort
Ludwigstraße: Rennstrecke und Fleckerlteppich
Die Ludwigstraße ist in „katastrophalem Zustand“ und noch dazu „die Rennstrecke Nummer eins“ im Ort. So sieht es jedenfalls Anwohner Helmut Veitlbauer. Mit einem ganzen Fragenkatalog er sich an den Bürgermeister: Wann wird der Fleckerlteppich endlich saniert? Wie schaut’s mit eine Tempo-30-Limit aus? Wie mit festen oder mobilen Geschwindigkeitskontrollen? Bürgermeister und Andreas Pöppl (Bauamt) bemühten sich um Antworten: Die Sanierung ist geplant – allerdings nicht vor 2024. Gerade erst wurde die Straße für eine Fernwärmeleitung aufgerissen. Als nächstes muss noch Wasserleitung für „die Welle“ verlegt werden.
Wegen eines Tempo-30-Limits will man sich, so Ordnungsamtschef Michael Kirmayer, an die zuständige Kreisbehörde wenden. Für feste Blitzer sieht er wegen der Vorgaben des Innenministeriums eher schwarz. Auch der Einsatz mobiler Messgeräte sei nicht an jeder Stelle erlaubt. Aber man will ein neues Blitzgerät anschaffen.
Wenig ausrichten kann die Kommune, wie der Ordnungsamtsleiter bedauerte, gegen Firmenfahrzeuge, die Wohngebiete zuparken: „Die sind im Straßenverkehr zugelassen und dürfen abgestellt werden.“
Neuer Anlauf: Behinderten-gerechten S-Bahnhof
Karl-Heinz Zenkers Schriftverkehr mit Behörden, Ministerien und Deutscher Bahn füllt einen ganzen Aktenordner. Den hatte er dabei – zusammen mit dem Antrag, einen neuen Anlauf für einen behinderten-gerechten Zugang zum S-Bahnhof zu unternehmen. Bei Bürgermeister Josef Niedermair stieß er auf offene Ohren – auch wenn die Kommune nicht recht viel ausrichten kann.
Der Gemeindechef machte keinen Hehl daraus, was er von der Haltung der Verantwortlichen der Deutschen Bahn hält: „Die sind unverschämt und sitzen auf dem hohen Ross.“ Wie Zenker kämpft die Kommune seit gut zehn Jahren um einen adäquaten Zugang zum östlichen Bahnsteig – und die rechtlich verbriefte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am öffentlichen Leben. Der Gemeinderat hat bereits 2013 eine Aufzugs- oder Rampenlösung beschlossen und würde dafür sogar (mit-) zahlen.
Doch die DB hat die Entwürfe unter einigermaßen fadenscheinigen Gründen zurückgewiesen. „Weil sie nicht von einem zertifizierten Planer stammten,“ wie Niedermair berichtete. Gefühlte 1000 Anfragen später, ist die Kommune keinen Schritt weiter. Die DB sperrt sich – nicht zuletzt auch, weil man das höchste bayerische Gericht einmal urteilte, dass der Zugang über 630 Meter langen, steilen Umweg behindertengerecht sei. „Das ist einfach lachhaft“, so der Bürgermeister.
Zenkers Antrag, erneut Gespräche mit der DB aufzunehmen, folgte die Versammlung. Der Bürgermeister regte zudem an, gegebenenfalls einen Musterkläger zu unterstützen. Denn die Kommune selbst hat keine Klagebefugnis. Der VdK hat bereits abgewinkt.
Nicht durchgedrungen ist Zenker mit seinem Anliegen, größere Pflaster auf Gehwegen zu verwenden. Weil, wie der Bürgermeister deutlich machte, die neuerdings verwendeten Steine glatter seien und das von Zenker monierte „Vibrieren“ von Rollstühlen oder Rollatoren bei der Überfahrt reduziert werde.