Klimanotstand ausrufen

Erwin Grießer im Interview

Erwin Grießer ist neuer Orstvorsitzender von B90/Die Grünen.

Seit der Wahl des Ortsvorstandes im September ist Erwin Grießer der Nachfolger von Robert Wäger. Wir haben nachgefragt, was den neuen Ortssprecher der Grünen in die „Politik“ gebracht hat.

Sie sind seit September neben Sabina Brosch als Ortsvorstand der Grünen im Amt. War das eines Ihrer Ziele als Parteimitglied?
Grießer: Nein, ich bin zwar seit drei Jahren Mitglied, hatte aber diesbezüglich keinen Plan. Vor ein paar Jahren hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir das prophezeit hätte. Ich war zwar politisch interessiert, aber hatte keine Ambitionen mich aktiv in die Politik einzubringen.

Was war ausschlaggebend für den Sinneswandel?
Grießer: Ganz klar der rasante Klimawandel. Wir müssen mehr tun, die bevorstehende Klimakatastrophe ernst nehmen. Wir machen aber weiter als sei alles in Ordnung. Die Politik bremst mit unsinnigen Regeln die Energiewende, Elektroautos werden von vielen immer noch belächelt, weltweit verbrennen wir heute 80 Prozent mehr Kohle als im Jahr 2000. In Anbetracht der Reaktionszeit, die wir noch haben, gehen die gemachten Veränderungen viel zu langsam und zu inkonsequent voran. Die nächsten zehn Jahre sind ausschlaggebend, um den Klimawandel im Rahmen zu halten. Danach wird es fast unmöglich. Ich habe drei Kinder und drei Enkelkinder, denen ich ein lebenswertes und glückliches Leben ohne Naturkatastrophen, Hungersnöte oder Kriege wünsche. Ich hoffe, dadurch Dinge in Bewegung zu bringen und zu unterstützen, die die Chancen dafür erhöhen. Auch wenn ich weiß, dass es zu wenig sein wird.

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Welche Ziele haben Sie konkret?
Grießer: Als Einzelner oder auch als Gemeinde hat man sicherlich nur bedingt Einfluss. Aber jedes Gramm CO2, das eingespart werden kann, ist wichtig. Für mich ist das eine Haltungsfrage: Ist es mir egal oder will ich für die nachfolgenden Generationen unsere Kinder kämpfen? Ich muss mein Handeln anpassen. Unser Wohlstand ist Ursache der Klimakatastrophe, wir haben Verantwortung!  Für uns geht es letztendlich nur darum Komforteinbußen hinzunehmen. In anderen Teilen der Erde geht es bereits ums Überleben, auch wenn das noch viel zu Wenige wahrhaben wollen. Der Klimawandel kommt nicht, wir sind schon mittendrin. Auch bei uns ist er spürbar. Ich denke da nur an den Sommer 2018, in dem wir sechs Monate lang Hochsommer ohne Niederschläge hatten. Damals gab es in acht Bundesländern Dürreschäden von insgesamt drei Milliarden Euro. Laut einem Ranking der Entwicklungsorganisation Germanwatch hat Deutschland erstmals zu den drei am stärksten von Extremwetter betroffenen Staaten gezählt. Und wir sind erst am Anfang. Das wird früher oder später auch die Landwirte in unseren Regionen betreffen.

Sie haben ja bei Ihrer Antrittsrede dafür plädiert, dass Hallbergmoos den Klimanotstand ausrufen sollte.
Grießer: Ja, dafür musste ich mir schon einige Kommentare anhören und wurde deswegen auch belächelt. Aber mir ist es sehr ernst damit. Unser Bürgermeister meinte im letzten Jahr zu mir: ‚Das klingt so dramatisch‘.  Es ist dramatisch! Der Begriff kommt ja nicht von mir, sondern ist gegeben und er wurde schon in vielen Kommunen hart diskutiert. In Deutschland haben bereits 73 Städte und Gemeinden den Klimanotstand ausgerufen und in einigen wurde er dann anders genannt. Mir ist es eigentlich egal was draufsteht, aber wichtig was drinsteht.

Was sollte denn drinstehen und was hat es mit dem Klimanotstand auf sich?
Grießer: Einen Klimanotstand auszurufen soll zeigen, dass eine Kommune den Klimawandel ernst nimmt und Maßnahmen für den Klimaschutz einleitet. Allerdings ist Klimanotstand kein rechtlich bindender Begriff. Es bedeutet, dass eine Gemeinde entsprechende Maßnahmen zum Klimaschutz definiert und deren Einhaltung durchsetzt. Diese sind wichtig, damit dieser Aufruf nicht nur symbolischen Wert hat. Alle politischen Entscheidungen müssen daraufhin überprüft werden, welche Auswirkungen sie auf die Erderwärmung hätten. Es geht beispielsweise darum, den Verbrauch von Ressourcen zu überdenken, um klimaneutrale Energieversorgung, Mobilität, das Bauen oder die Entsorgung. Wir werden zukünftig aber auch über Maßnahmen zur Klimaanpassung sprechen müssen. Auch wenn wir aufgrund unseres Wohlstandes momentan noch sehr gut damit umgehen können, wird das auf Dauer nicht mehr funktionieren.

Können sie ein Beispiel nennen?
Grießer
: Neben den vorbeugenden Maßnahmen zum Klimaschutz müssen dringend Maßnahmen zur Anpassung an die Klimafolgen umgesetzt werden. Wie sieht es zum Beispiel mit der Aufnahmekapazität unserer Kanalisation aus? Hält diese den Starkregenereignissen langfristig stand? Bei uns im Birkenweg stand bei Starkregen das Wasser wegen fehlender Abflüsse zentimeterhoch auf der Straße und lief auf die Grundstücke. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung sollte man auch über Förderprogramme nachdenken, welche die Akquirierung und dauerhafte Bindung von jungen, leistungsfähigen Menschen an das ehrenamtliche System des Katastrophenschutzes unterstützt. Das waren nur zwei Beispiele, es gibt jedoch viele andere Themengebiete, in denen zukünftig Handlungsbedarf zur Klimaanpassung gibt.

Was hat sich seit dem Amtsantritt für Sie verändert?
Grießer: Ich habe noch weniger Zeit (lacht). Wir haben uns einige Ziele gesetzt, die wir umsetzten wollen. Aus unserem Wahlprogramm und innerparteilich. Getrieben von Sabina Brosch haben wir unter anderem das Thema Wohnbaugenossenschaft auf den Weg gebracht. Gemeinsam mit der SPD gab es eine erste Informationsveranstaltung und zwischenzeitlich wird es parteiübergreifend unterstützt. Unsere kleine Fraktion im Gemeinderat versucht Dinge voranzubringen. Auch wenn Vieles grundsätzlich abgelehnt wird, weil es von den Grünen kommt. Man braucht schon viel Überzeugung, Durchhaltevermögen und Idealismus. Außerdem lerne ich viel Neues, da ich wie eingangs gesagt habe, bis dato nicht politisch aktiv war.

 

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