Die Welt immer noch gefangen von der Corona-Pandemie. Die Gemeinde nach dem Tod von Bürgermeister Harald Reents in Schockstarre. Da braucht es 2021 einen erfahrenen Politiker, der mit Mut und Entschlossenheit das Ruder übernimmt. Josef Niedermair (CSU) hat diese Verantwortung übernommen. Nach neun Monaten im Amt zieht der Erste Bürgermeister nun Bilanz und spricht im Interview mit dem HALLBERGER darüber, was das Jahr 2022 für die Gemeinde bringen wird.
Herr Niedermair, nun sind Sie seit neun Monaten Rathauschef. Sie haben das Amt in extrem schwierigen Zeiten angetreten – nach dem Tod ihres Amtsvorgängers und mitten in der Corona-Krise. Wie haben Sie die letzten Monate persönlich in Erinnerung?
Josef Niedermair: „Ich kann sagen: Ich bin angekommen. Natürlich war es beruflich und privat eine große Veränderung – verbunden mit einer Lernkurve. Jetzt hab‘ ich den richtigen Modus gefunden – und den Ehrgeiz, in meiner Amtszeit möglichst viel zu bewegen. Die Erfahrungswerte, die ich aus 36 Jahren politischer Arbeit mitbringe, sind da Gold wert. Die Hauptaufgabe eines Bürgermeisters ist es ja, Gespräche und Verhandlungen zu führen – und das zählt sicherlich zu meinen Stärken. Sei es mit Unternehmen, Politikern oder Privatpersonen. Als gebürtiger Hallbergmooser kenne ich viele Menschen, habe oder finde schnell einen persönlichen Draht zu ihnen.“
Sie haben bei Ihrem Amtsantritt am 26. April 2021 einige Baustellen vorgefunden – und rasch auch „heiße Eisen“ angepackt: Den kommunalen Wohnungsbau, die Feuerwehrhäuser, den Badeweiher und den Schulhaus-Anbau. Sind Sie mit dem bisher Erreichten zufrieden?
In der Kommune läuft alles etwas langsamer als im Privaten – aber es läuft. Die Bürokratie nervt mich manchmal. Aber grundsätzlich bin ich sehr zufrieden und muss dem Gemeinderat ein großes Kompliment aussprechen, für das was wir gemeinsam erreicht haben. In der Herbstklausur haben wir 16 wichtige Projekte vorbesprochen. Alles ist auf dem Weg oder schon umgesetzt.
Sie haben definitiv „nur“ fünf Jahre Amtszeit. Welche Projekte sähen sich gerne bis 2026 abgeschlossen? Und welche Aufgaben sehen Sie 2022 als vordringlich an?Besonders wichtig ist der kommunale Wohnungsbau in der Predazzoallee. Die Planungen für den Badeweiher laufen bereits. Wir beschäftigen uns aktuell mit dem Feuerwehrstandort in Goldach. Der Schulanbau wird im September 2022 fertig. Das Verfahren für das Neubaugebiet Birkenecker Straße-Süd wird 2022 abgeschlossen. Der Handwerkerhof, das Gewerbegebiet Nord-Ost, sollte 2022 überplant sein.
Hallbergmoos-Mitte, also die Verlängerung der Predazzoallee in Richtung der Theresienstraße, ist mir persönlich extrem wichtig. Da laufen die Planungen und Gespräche. Was die Realisierung angeht, reden wir eher von 2023 oder 2024. Andere Projekte werden noch Zeit brauchen – auch weil uns die personellen Kapazitäten im Rathaus fehlen. Wir haben wie viele Kommunen das Problem, dass wir offene Stellen nicht besetzen können.
Stichwort: Kommunaler Wohnungsbau. Vom Wohnhaus an der Predazzoallee, wo die Kommune preisgünstigen Wohnraum schaffen wird, war viel zu hören. Um das Mehrgenerationen-Wohnen im Tassiloweg ist es ein wenig still geworden. Wie ist da eigentlich der Stand der Dinge?
Wir sind eigentlich so weit fortgeschritten wie mit keinem anderen Projekt. Die Zuschusszusage der Regierung von Oberbayern gilt noch bis Mitte 2022. Diese 9 Millionen sollten wir möglichst abschöpfen. Hier steht aber wieder das „Aber“ im Raum, dass wir die Kapazitäten im Rathaus nicht haben. Das ist die einzig deprimierende Situation und macht eine rasche Realisierung schwierig.
Der Schulhaus-Anbau wird im Herbst 2022 fertig. Wie sieht es mit der zweiten Grundschule aus? Liebäugelt man vielleicht sogar mit einer weiterführenden Schule? Würde sich ja dort doch anbieten, oder?
Da stehen wir noch am Anfang bei der Bedarfsermittlung. Aber so viel kann ich sagen: Der Bau einer zweiten Grundschule in Goldach fällt bestimmt nicht mehr in meine Amtszeit. Was eine weiterführende Schule angeht: Das entscheidet der Kreis. Wir würden es uns natürlich wünschen.
Die Sanierung der Hauptstraße in Goldach lässt auf sich warten. Wird das 2022 was?
Es wird Ende März, Anfang April 2022 mit der Brückensanierung losgehen. Der weitere Ausbau und der Kreisel: Da sind, wie ich vom Landratsamt erfahren habe, noch nicht alle Zuschüsse genehmigt. Es wird wohl nicht vor 2023 gebaut.
Wir haben viel über anstehende Projekte gesprochen. Kann die Gemeinde das alles langfristig finanzieren? Corona wird die Gewerbesteuer und damit die Haupteinnahmequelle der Kommune womöglich nicht mehr so üppig sprudeln lassen.
Wirtschaftlich war das Jahr 2021 gar nicht so schlecht. Wir rechnen mit 26 Millionen Euro Gewerbesteuer, eingeplant hatten wir 17 Mio. €. Mit großen Einbrüchen rechne ich vorläufig nicht. Denn wir haben eine gute Lage im Speckgürtel zwischen München und Flughafen und in meinen Augen einen der besten Standorte in Deutschland. Wir müssen natürlich unsere Hausaufgaben machen.
Hallbergmoos ist gerade dabei, sich als Standort für Biotech-Standort anzubieten. Warum?
Es geht in erster Linie darum, dass kein wirtschaftlicher Stillstand entsteht. Die Ausweisung neuer Gewerbegebiete und die Ansiedlung von Unternehmen hat Priorität. Deshalb ist die Wirtschaftsförderung auch Stabstelle im Rathaus. Biotech ist ein neues Standbein, das gut zu uns passt und boomt. Es haben sich schon einige Unternehmen angesiedelt, die neue Medikamente entwickeln.
Reden wir über „die Welle“: Der Spatenstich für Surftown MUC war eigentlich für vergangenen Herbst angekündigt. Wann wird er nun tatsächlich sein? Und was sagen Sie den Gegnern der Welle, die dem Projekt aus ökologischen Gründen skeptisch gegenüberstehen?
Für Surftown MUC und den Bürokomplex Hybrid One mussten die Planungen noch aufeinander abgestimmt werden. Deshalb hat sich der Spatenstich etwas verzögert. Die Verantwortlichen halten am Termin für die Fertigstellung Mitte 2023 fest. Sobald es die Wetterlage erlaubt, soll der Spatenstich sein. Also voraussichtlich im Frühjahr 2022. Mit dem Projekt werten wir das reine Bürogebiet auf. Es entsteht ein attraktives urbanes Viertel, wo auch die Bevölkerung zum Shoppen, Essen und Zuschauen gerne hingehen wird. Das wird etwas ganz Besonderes. Die Kombination wird Bereicherung für alle sein. Es sind nicht die Massen, wie beispielsweise in der Therme Erding, die dort anreisen.
Wie sieht es überhaupt mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit aus? Welche Anstrengungen unternimmt die Gemeinde da?
Ich bin zwar konservativ, aber innerlich ein grüner Mensch. Regenerativen Energie und Klimaschutz sind mir wichtig. Es muss aber einher gehen mit der Wirtschaft. Denn wenn wir kein Geld haben, können wir nachhaltige Projekte nicht umsetzen. 10 Hektar Fotovoltaikanlage zur Versorgung des Surfparks – da die Gemeinde steht dahinter und hat den Planentwurf schon gebilligt. Da ist jetzt das Landratsamt am Zug. Wir sind bestrebt, weitere Projekte anzuschieben, um die Energieautarkie zu erreichen. Im übrigen haben wir einen sehr engagierten Arbeitskreis Nachhaltigkeit, der sich um nachhaltige Themen kümmert.
Wie ist das Verhältnis zum „Nachbarn“ Flughafen?
Wir pflegen ein gutes Miteinander – in allen Belangen. Wir haben eine gute Gesprächskultur, die FMG ist Partner beim Vereinssponsoring. Aktuell sind wir gerade in Verhandlungen über ein Bauprojekt: Die FMG will in der Ludwigstraße etwa 300 Wohnungen bauen. In dem begleitenden Mobilitätskonzept ist auch ein FMG-finanzierter Bus enthalten, der durch Hallbergmoos zum Flughafen fährt, im Gespräch. Das käme auch den Bürgern zugute.
Wie stehen Sie zur Eventarena?
Was die Eventarena angeht: „Ich bin dafür.“ Es bringt für die Anrainerkommunen einen erheblichen Mehrwert. Es wird die Gegend, die Hotels und Gastronomie aufwerten und beleben. Sie wäre genauso ein Gewinn wie die Surftown MUC – vorausgesetzt es wird eine vernünftige Erschließung gebaut. Wir fordern ja schon lange den vierspurigen, S-Bahnnahen Ausbau der B301.
Wenn Sie einen Wunsch für 2022 frei hätten: Welcher wäre das?
Eigentlich sind es drei Wünsche: Beruflich wäre mein größter Wunsch, neue Mitarbeiter fürs Rathaus zu finden. Und privat, genügend Zeit für die Familie zu haben. Und dass die Pandemie endlich ein Ende hat.
Und wenn Sie das Jahr in einem Filmtitel charakterisieren müssten, welcher wäre das?
Zurück in die Zukunft.
Das Interview führte Eva Oestereich