„Leider!“ ist der Titel des nagelneuen Programms von Christian Springer, das am 24. Oktober im Münchner Lustpielhaus Premiere feierte. Der Kabarettist, Buchautor und Gastgeber des BR-Schlachthofs stellte es in einer Vorpremiere in Hallbergmoos vor – und gab dem Publikum viel Nachdenkliches mit auf den Weg. Den Auftritt eingefädelt hat der Kunst- und Kulturverein cultiamo e.V..
Ein Vorpremiere heißt zu testen, wie das Publikum auf das Programm reagiert. Welche Pointen zünden? Welche eher nicht? Das will der 59-jährige Münchner vor der Premiere am 24. Oktober im Lustspielhaus an den Reaktionen ablesen. Denn bei der Premiere werden Familie und Kollegen in den ersten Reihen sitzen: „Die lachen ned“, versichert er den knapp 100 Zuschauern im Gemeindesaal. „Sie haben also eine Riesenverantwortung, sie arbeiten am Programm mit.“
Auf seine Spickzettel muss der 59-Jährige eigentlich nicht schauen, es sprudelt nur so aus ihm heraus: Springer wirbelt gut zwei Stunden lang über die Bühne, wortgewaltig, voller Energie, zornig. Später, als er sein Buch „Der bayerische Mob – wie die Gewalt in die Politik einzog“ signiert, kommt er ganz entspannt mit den Zuschauern ins Gespräch, nimmt deren Feedback gerne auf.
Die gelbe Schleife am Revers
Das Programm ist für einige Lacher gut. In erster Linie schlägt der Kabarettist aber ernste Töne an, stimmt das Publikum nachdenklich. Der Gastgeber des BR-Schlachthofs trägt eine gelbe Schleife am Revers seines Anzugs. Es steht für „Bring them Home“ – das Symbol für die humanitäre Forderung, die über 100 israelischen Geiseln der Hamas nach einem Jahr Gefangenschaft endlich heimzubringen, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Programm. Ein roter Faden der Menschlichkeit, ein Plädoyer für Werte und Anstand, gegen Antisemitismus und ausufernde Gewalt gegenüber Minderheiten – auf der Welt und in unserer Gesellschaft.
Nicht noch länger schweigen
Es sei längst an der Zeit, so Springer, dass die „schweigende Mehrheit“ den Mund aufmacht – gegen die wenigen Lauten, gegen die Rechtsextremen, die sich als vermeintliche Mitte der Gesellschaft gerieren und „das Land versauen“. Nicht predigen, sondern vorleben, heißt seine Botschaft.
Springer ist sich dessen bewusst, dass er polarisiert – auf der Bühne und im privaten Leben. Aber keine Partei würde ihn nehmen, da ist er sich sicher: „Ich hab‘ ja schon alle beleidigt.“ Bliebe als Option höchstens das Bündnis Christian Springer. Doch da gibt es ein für ihn recht abschreckendes Beispiel, „größenwahnsinnig“ und „napoleonisch“: die „Stalinistin Sahra Wagenknecht“, die er persönlich kennt. Sie waren kurze Zeit in der selben Partei – er damals 26, sie 21 Jahre alt. Heute könnte die Distanz kaum größer sein.
Springer äußert sich dezidiert zum Gaza-Konflikt, spricht über Netanjahu als „den schlechtesten Regierungschef, den Israel jemals hatte“, die Verhältnismäßigkeit von Israels Militärschlägen in Gaza und über die Verantwortung der Hamas-Terroristen für Gewalt, Leid und Elend. Springer und die Helfer seines Vereins Orienthelfer, dies unterstreicht er nachdrücklich, machen keinen Unterschied in ihrer Hilfe, sie kümmern sich auch um libanesische Opfer, selbst wenn sie den „Hisbollah-Mördern“ nahestehen. „Wir sind so, das sind unsere Werte: Wenn einer hingefallen ist, hilfst du ihm auf.“
Raum für Heiterkeit
Der Kabarettist lässt aber auch noch Raum für Heiterkeit: Über die Reisekosten-Abrechnung eines deutschen Astronauten, über pürierte Legosteine mit Hustensaft als Narkosemittel-Ersatz, über marode Brücken, die Relativitätstheorie am Beispiel einer Fliege im fahrenden ICE oder seine aus dem Elternhaus stammende Sicherheitsmarotten. Und im Wissen um die gemeinsamen Wurzeln von Bayern und syrischen Bogenschützen empfiehlt Springer gegenüber Neuankömmlingen in unserem Land: „Seid a bisserl nett. Die Verwandtschaft kommt.“