Endlich wieder auftreten

Familienzirkus Diabolo hofft in Hallbergmoos auf einen erfolgreichen Neustart

Bis 4. Juli gastiert der Circus Diabolo noch in Hallbergmoos. © Sabina Brosch

Gastwirte, Hotels, Geschäfte, Konzert- und Kulturveranstalter freuen sich über Lockerungen. Es geht in Schritten Richtung Normalität. Völlig vergessen wurden aber die über 600 Zirkusse, die es in Deutschland gibt. Kleine wie auch die Branchengrößen kämpfen ums Überleben, einer davon der Zirkus „Diabolo“ der Familie Frank. Sie sind bis zum 4. Juli in Hallbergmoos und hoffen auf einen guten Neustart.

Mandy Frank (29) ist die achte Generation der Zirkus-Familie Frank. Sie hat sich vor fünf Jahren mit ihrem Lebensgefährten Enrico Lauenburger (34), ebenfalls in der achten Generation seiner Zirkus-Familie, mit dem Kinder- und Jugendzirkus „Diabolo“ selbstständig gemacht. Ihren Winter-Standort haben sie eigentlich im friesischen Aurich. „Corona stoppte uns während einer großen Tournee durch Bayern. Zum Glück war zunächst die Stadt Unterschleißheim sehr großzügig und nun eine private Wiesenbesitzerin in Hallbergmoos, die uns hier kostenfrei unterstellen lässt“, erzählt Enrico. Da sie so lange nicht auftreten dürfen, wurden sie zu Sozialhilfe-Empfängern, müssen vor Super-Märkten betteln, verkaufen LED-Luftballons und bitten um Spenden, um zu überleben.

Keine Reserven mehr

Die Zirkus-Familie Frank ist groß, Mandy hat fünf Geschwister, drei davon haben eigene Zirkusse, hinzu kommen Onkels, Tanten und andere Verwandte. „Insgesamt gibt es rund um München 15 Zirkus-Unternehmen mit den Namen Frank, wir sind bei den Gemeinden bekannt, dass wir zuverlässig sind und alles ordentlich hinterlassen“, sagt Mandy. Dennoch steigen die Kautionen für Zirkusse ständig weiter an, weil es unter den Kollegen einige schwarze Schafe gibt, die sagen, sie hätten keine Tiere und dann doch mit Kamelen, Giraffen, Pferden anrücken. Oder die nicht aufräumen. „Wir hätten ein Gastspiel in Hallbergmoos auf dem Festplatz gehabt, doch die Kaution von 3000 Euro konnten wir nicht berappen. Wir haben doch keine Reserven mehr“, sagt Enrico. Er steht jeden Tag vor einem anderen Supermarkt und hofft, dass die Marktkunden etwas in seine Sammelbüchse stecken, während er mit Keulen jongliert. „So kommen an guten Tagen 50 Euro zusammen.“

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Keine staatlichen Hilfen

Als Zirkusleute gehören sie nicht zu den Künstlern, sondern zu den Schaustellern, die keine staatliche Unterstützung erhalten. Sie dürfen wegen Corona seit über einem Jahr nicht auftreten. Sie müssen aber ihre Zelte und Fahrzeuge alle zwei Jahre vom TÜV prüfen und freigeben lassen, zudem teure Versicherungen bezahlen. „Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll, zum Glück haben wir keine Tiere, für die wir jeden Monat hohe Summen für Futter brauchen.“ Hinzu kommt die Zirkus-Müdigkeit in Deutschland. „Die Jugend spielt lieber vor dem Computer als in einen Zirkus zu gehen. Früher wurden wir in kleinen Orten begeistert begrüßt, heute interessiert sich keiner mehr für uns“, bedauert Mandy.

Feuerschlucker, Jongleure und Akrobaten

Vor fünf Jahren startete sie und Enrico mit dem Zirkus „Diabolo“, weil Enrico, ausgebildet in der berühmten Berliner Zirkus-Schule, neben unzähligen anderen Kunststücken perfekt das Diabolo-Jonglieren beherrscht. Er tritt auf als Feuerschlucker, Jongleur, Handstandakrobat, wirft mit Messern, arbeitet mit Lassos und Peitschen. Mandy, eigentlich Sängerin, arbeitet auf dem Hochseil, am Trapez, lässt auf sich mit Messern werfen, kümmert sich um die Kasse und Musik, den Verkauf in den Pausen und vor allem um die Werbung und die Auftritte. „Wenn ich 100 Gemeinden anrufe, ob wir auftreten dürfen, bekomme ich nur eine Zusage. Das ist so enttäuschend.“

Normal sind sie jede Woche an einem anderen Ort: Sonntag und Montag fahren sie zu zweit im Pendelverkehr ihre sieben Fahrzeuge zum neuen Stellplatz, bauen das große Zelt für 400 Personen auf, Dienstag und Mittwoch wird Werbung gemacht mit Flyern und Plakaten, Donnerstag bis Sonntagnachmittag sind Vorstellungen. „Im Schnitt haben wir nur 20 Zuschauer je Veranstaltung. Leben kann man davon kaum“, sagt Mandy. Nun hoffen sie auf das Hallbergmooser Publikum, dass es zahlreich kommt. „Dann treten wir endlich wieder auf in Kindergärten, Schulen, Altersheimen und natürlich unserem schönen Zelt – denn wir leben doch vom Applaus und nicht vom Betteln.“

Sabina Brosch

 

Der Mitmach-Zirkus Diabolo gastiert noch bis 4. Juli in Hallbergmoos.
Spielzeiten:
Mo. / Die.: Ruhetag
Mi. – Sa.: 16 Uhr
Freitag: Familientag – Erwachsene zahlen Kinderpreise
Sonntag: 11 Uhr – Aktionstag (10,- € auf allen Plätzen)
Tickethotline: 0157 / 835 94 788

Gesellschaft, Reportagen

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