Die Angst hat viele verschiedene Gesichter

Markus Beck und Habib Mbarek bieten Gesprächskreis für Betroffene an

Habib Mbarek (links) und Markus Beck leiden unter einer Angststörung und bieten nun in einem Gesprächskreis anderen Betroffenen eine Gelegenheit sich auszutauschen. © Eva Oestereich

Panikattacken, Angststörungen und Depressionen: In den letzten Jahren hat die Zahl der Menschen, die in  Deutschland daran leiden, stark zugenommen. Laut Robert Koch-Institut (RKI) und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) sind mittlerweile rund 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung von einer Angststörung betroffen. Dies entspricht etwa 12 bis 16 Millionen Menschen
in Deutschland.

Die plötzlichen, intensiven Angstgefühle können mit körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Zittern, starkem Herzklopfen, Schweißausbrüchen, Übelkeit, Bauschmerzen, Taubheits- oder
Kribbelgefühlen einhergehen und sind oft so überwältigend, dass Betroffene in ihrem Alltag stark eingeschränkt sind. Nicht selten münden sie – unbehandelt – in einer Depression.

Auch dank der Offenheit von Prominenten – Schauspielern wie Dwayne „The Rock“ Johnson, Sänger Ed Sheeran oder Fußballer Alvaro Morata – rücken psychische Erkrankungen in den Fokus der Öffentlichkeit. Sie verlieren so ein Stück weit an Stigmatisierung.

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„Akzeptanz ist der erste Schritt zur Besserung“

Auch Markus Beck und Habib Mbarek aus Hallbergmoos haben sich entschlossen, über ihre Erkrankung zu sprechen: „Akzeptanz ist der erste Schritt zur Besserung. Deswegen öffnen wir uns hier in aller Öffentlichkeit“, so Beck. Er unterstreicht: „Ich möchte vorausschicken, dass wir keinen Psychologen oder Psychiater ersetzen können. Es geht um den Austausch, das Zuhören und das sich Verstanden-fühlen und das Wissen, nicht allein zu sein. Egal mit welchem Problem, sei es Panikstörungen, Depressionen, Burnout oder Suchterkrankungen.“

Bei Markus Beck (39) waren, wie er heute weiß, „zu viele Operationen“ die Auslöser für dauernde negative Gedanken. „Das fing vor etwa 16 Jahren: Nichts Lebensbedrohliches, aber körperliche Beschwerden, die anfangs von Ärzten abgetan wurden. „Es hieß sogar, ich würde simulieren.“

„Du wirst vorsichtiger, meidest Orte und Situationen, ziehst dich zurück“

Fünf Mittelohr-OPs, dann Hüft- und Knieprobleme. Traumatische Erlebnisse. Krankenhausflure lösten bei ihm eine innere Unruhe aus. Dann die erste Panikattacke. „Du wirst vorsichtiger, hast Angst vor der nächsten Attacke. Du meidest die Orte und Situationen, ein Restaurant oder das Kino, wo du schon einmal eine erlebt hast. Du ziehst dich mehr und mehr zurück. Ich habe jahrelang keinen Kaffee getrunken, weil ich dachte, es treibt den Blutdruck,
den Schwindel und die Angst hoch.“

Beck erkannte, dass er professionelle Hilfe braucht: „Das Erste, was die Therapeutin mit mir gemacht hat, war Kaffeetrinken. Das haben wir dann bei jeder Sitzung gemacht. Man muss akzeptieren lernen, dass ein Symptom sein darf – es aber nicht heißt, dass du schwer krank bist und sterben musst. Das war mein Problem.“ Die Therapie hat geholfen: „Ich habe mich gefreut, hinzufahren: Ich wusste, ich kann eine Stunde lang nur über mich reden und nachdenken.“

Habib Mbarek (55) trägt seit seiner Kindheit, von Gewalt und sexuellen Übergriffen geprägt, ein schweres Paket mit sich herum. Schließlich konnte er – vermeintlich – alles hinter sich lassen, baute sich eine neue, erfolgreiche Existenz mit eigenem Lokal, mit Frau und zwei Kindern auf.

Das Gefühl, dass es nie aufhört mit den Rückschlägen

Als die Ehe vor neun Jahren zerbrach und seine Großmutter („mein Schutzwall“) starb, lag seine Welt in Trümmern: „Plötzlich bist du Sozialfall und stehst alleine da.“ Er verlor den Boden unter den Füßen: „Panik, Angst, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörung, das Gefühl, dass es nie aufhört mit den Rückschlägen.“

Er betäubte sich mit Medikamenten und Alkohol, hatte Blackouts, die Situation eskalierte. Ein aufmerksamer Passant, der ihn am Hallbergmooser Friedhof in – aus seiner Sicht – auswegloser Situation beobachtet hatte, alarmierte die Polizei. Mbarek wurde in der Klinik in Taufkirchen akut-psychiatrisch behandelt, fand im vergangenen Herbst in Klinik St. Irmingard am Chiemsee dann die für ihn richtige Hilfe: „Seitdem geht es mir besser. Ich kann mit der Erkrankung umgehen. Nun würde ich andere gerne mit meinen Erfahrungen unterstützen.“

„Der Schritt zu uns ist leichter“

Markus Beck und Habib Mbarek möchten anderen Betroffenen ein Forum zum Austausch bieten: „Wir wollen Menschen motivieren, sich zu trauen. Vielleicht ist der Schritt zu uns erst mal leichter als zum Therapeuten“,
so Beck. „Reden, schweigen, zuhören. Ganz egal.“ Die evangelische Emmauskirche stellt ihnen einen Raum zur
Verfügung. Die Treffen werden mittwochs – ein oder zwei Mal im Monat – in einem geschützten Raum stattfinden.

Erster Termin:13. November 2024, 19 – 21 Uhr, Emmauskirche (Bürgermeister-Funk-Str. 4, Hallbergmoos)

Noch Fragen? Dann schickt eine E-Mail an wir-fuer-uns-85399@gmx.de oder eine DM auf Instagram (wirfueruns85399).

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