Apotheken in Not

Leere Regale und Medikamenten-Wartelisten machen örtlichen Apotheken zu schaffen

Was ist los in unseren Apotheken? Oft sind Medikamente nicht mehr vorhanden und auch nicht lieferbar. DER HALLBERGER hat in beiden Ortsapotheken in Hallbergmoos nachgefragt: Warum sind viele Regale und Schubladen leer? Wie gehen sie damit um?

Der Inhaber der Apotheke am Bach in Goldach, Albert Waizenegger: „Es ist wirklich im Moment alles andere als einfach für uns. Wir möchten unseren Kunden doch helfen, denn sie brauchen die Medikamente. Aber wir sind machtlos, wenn die Lieferungen nicht kommen.“

Derzeit betrifft es etwa 300 Medikamente in Deutschland – vor allem fiebersenkende Mittel, wie Zäpfchen und Antibiotika für Kleinkinder, aber auch Cholesterinsenker und Blutdruckmittel für Erwachsene. Kaum ein bekanntes Präparat ist vorhanden. Was bedeutet das? „Das bedeutet die tägliche Überprüfung unserer Bestellungen am Computer. Werden sich unsere Wartelisten verkürzen? Gibt es einen Pharma-Anbieter, der uns beliefern kann? Von zehn gewünschten Medikamenten erhalten wir täglich vielleicht zwei“, so eine Mitarbeiterin der Hallberg-Apotheke.

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Lieferengpässe: Produktion überwiegend in China und Indien

Fakt ist, dass viele verschreibungspflichtige Medikamente nur von einigen wenigen Unternehmen produziert werden – meist im Ausland. 80 Prozent aller Wirkstoffe kommen aus Indien oder China. Manche, die für die Herstellung von Cholesterinsenker, Blutdruck oder fiebersenkenden Mitteln gebraucht werden, werden zum größten Teil in einer einzigen Fabrik in Ostchina hergestellt, weil man dort auch billiger produzieren kann. Europäische Staaten sind von diesen Wirkstoffimporten abhängig. Und dann kommen natürlich auch noch die Lieferketten dazu, die oftmals durch Kriege unterbrochen werden.

Preisdruck der Krankenkassen

Der Preisdruck der Krankenkassen macht sich in unserem Land bemerkbar, so dass es für viele Pharmafirmen nicht rentabel ist, in Deutschland Medikamente herzustellen. Doch mittlerweile gibt es bereits einige große Firmen, die eine Produktion in Deutschland ins Auge gefasst haben. Doch auf die Schnelle ist das nicht durchführbar. Die Realität in den Apotheken sieht seit Monaten deshalb so aus: Bei Nichtlieferungen muss versucht werden, ein anderes, von den Wirkstoffen ähnliches, Präparat zu finden. Und dies bedeutet dann wiederum, viele, viele Telefonate mit Ärzten, um ein geändertes Rezept zu erhalten.

Patienten decken sich in Österreich und Italien ein

„Die Warteliste bei den Patienten ist bei uns sehr groß. Wir entscheiden dann nach Dringlichkeit, oder versuchen, eine Ausweichmöglichkeit zu finden“, so Albert Waizenegger. Doch es gibt bereits ‚Abwanderer‘, zumindest in grenznahen Gebieten – die, wenn möglich, im benachbarten europäischen Ausland, wie Österreich oder Italien, ihre Medikamente holen. Denn die dortigen Apotheken werden derzeit in der Regel bevorzugt beliefert, weil diese Länder den Pharmafirmen für ihre Produkte mehr zahlen als Deutschland.

Apotheker Albert Waizenegger stellt selbst Medikamente her

Albert Waizenegger hat für die Apotheke Am Bach eine Entscheidung getroffen: Er stellt in seinem eigenen Labor selbst Zäpfchen und Säfte gegen Fieber her: „Wenn ich alle wichtigen Bestandteile im Haus habe, kann ich einiges selbst machen. Ich möchte meine Kunden zufrieden stellen und gerade bei Babies und Kleinkindern helfen. Meine Zäpfchen und Säfte werden gut angenommen. Natürlich darf ich nicht auf die Arbeitszeit und das Material schauen, denn die stehen in keinem Verhältnis zum Verkaufspreis. Aber das ist es mir und meinen Mitarbeitern wert.“

Bleibt letztlich nur zu hoffen, dass es mehr Apotheken gibt, die zur Selbsthilfe greifen und natürlich auch, dass sich in nicht allzu ferner Zukunft in unserem Land etwas ändert.

Beate Bodenschatz

Gesellschaft, Reportagen, Topnews

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